Inflation in Deutschland zwischen 1920 und dem Londoner Ultimatum 1921

Die Inflation nahm Anfang der 1920er Jahre bis zum Londoner Ultimatum 1921 an Fahrt auf.

Inflation - Sparen oder Anlegen?

Zunehmende Verschuldung des Staates

Sinkende Preise zwischen 1920 und 1921

Mit den Reichstagswahlen von 1920 kam die bürgerliche Minderheitsregierung unter Reichskanzler Constantin Fehrenbach an die Macht. Da aber viele Minister in ihren Ämtern blieben, setzte diese Regierung die Politik in Wirtschafts– und Finanzfragen fort. Beispielsweise bekleidete Joseph Wirth (Zentrum) als Nachfolger Erzbergers weiterhin das Amt des Finanzministers. Wirtschaftspolitisch sah man die Hauptaufgabe weiterhin in der Überführung der Kriegswirtschaft in eine Friedenswirtschaft. Außerdem setzte man Hoffnungen auf ein erfolgreiches Gelingen der Finanz– und Steuerreform und bekräftigte die Entscheidung die ausgegebenen Anleihen nicht ersatzlos zu streichen. Da aber diese Reform keine schnellen Erfolge zeichnete, stiegen die vom Geldmarkt aufgenommenen Geldmarktpapiere, Schatzanweisungen und Schatzwechsel, und die umlaufen Bargeldmenge weiter an. So steigerte sich der von der Reichsbank an Reichsschatzanweisungen gehaltene Betrag zwischen Juni 1920 und Juni 1921 von 113,2 Milliarden Mark auf 176,7 Milliarden Mark. Zwar erhöhte sich die schwebende Schuld um weitere 75 Milliarden Mark, dennoch steigerte sich der Bargeldumlauf nur um circa 17 Milliarden Mark.

Im Bezug auf das Wirtschaftswachstum lag dieser Zuwachs noch in einem ordentlichen Rahmen. Die reale Geldmenge stieg zwischen Mai und September 1920 trotz eines Absinken des durchschnittlichen Preisniveaus im gleichen Zeitraum an. Ohne diese Ausdehnung sowohl der nominalen als auch realen Geldmenge wäre die Preisdeflation wahrscheinlich weitaus höher ausgefallen.

Kriegsfolgekosten erhöhen die Staatsverschuldung

Nach den Aufzeichnungen der Regierung Wirth wurden die neu aufgenommenen Schulden vornehmlich für die Folgekosten des Krieges benötigt. Für das Rechnungsjahr 1920/21 ergaben sich insgesamt 76,9 Milliarden Mark. Schätzungsweise 20 Milliarden Mark mussten alleine für Reparationszahlungen aufgewendet werden. Bis zum 30. September 1920 lag die Reichsschuld bereits bei circa 220 Milliarden Mark, die mit einem jährlichen Durchschnittszinssatz von 4,99 % verzinst werden mussten. Davon trugen die Folgekosten des Krieges mit bis zu 70 Milliarden Mark den größten Etatposten bei. Ein weiterer großer Posten waren Ausgaben für die Subventionierung von Lebensmittellieferungen. Dieser wurde vom damaligen Reichsernährungsminister Andreas Hermes mit fast 27 Milliarden Mark angegeben. Da diese sich aber explizit nur auf Brotgetreide und Kartoffeln bezog, dürften die Gesamtzahlen weitaus höher gelegen haben.

Reichsbanknote über 100 Mark dessen Vorderseite zwei gegeneinander liegende Köpfe des Bamberger Reiters zeigt

Hauptgrund für diese massive staatliche Intervention war die besonders im März mit dem Kapp–Putsch offenkundige Gefahr der Destabilisierung der Republik. Außerdem stieg das Preisniveau für Lebensmittel im Jahr 1920 an, so dass eine Aufhebung der Höchstpreise eine noch stärke Preissteigerung nach sich gezogen hätte. Aus der Tatsache, dass selbst Reichsfinanzminister Wirth noch Hermes gegen die Subventionen waren, wird der bereits eingeschränkte politische Handlungsspielraum deutlich.

Übernahme der Reichsbahn als zusätzliche Belastung des Staatshaushaltes

Kauf der Reichsbahn aus symbolischen Gründen

Neben den Kriegsfolgekosten und den Lebensmittelsubventionen stellten die Ausgaben für die Reichsbetriebe von 35 Milliarden Mark für das Geschäftsjahr 1920/1921 einen den Etat belastenden Posten dar. Zwar belastete die Übernahme der einzelnen Landesbahnen und deren Verschmelzung den Jahreshaushalt mit nur 14,6 Milliarden Mark, doch mussten die betrieblichen Kosten mit circa 20 Milliarden Mark bezuschusst werden. Die Entscheidung über den Kauf der Eisenbahnen fiel in die Ägide Erzbergers. Diese hatte einen Gesamtpreis von 40 Milliarden Mark ausgehandelt.

Gründe für den Kauf der Eisenbahn durch den Staat

Als Gründe für den Kauf lässt sich der hohe symbolische Wert der „Verreichlichung“ der Eisenbahn sehen. Erzberger sowie viele Zeitgenossen sahen den Kauf als bindende Kraft für die Republik an. Neben dem Kaufpreis ergaben sich zusätzliche Aufwendungen für die kommenden Jahre. Durch den Krieg war die Infrastruktur in einem sehr schlechten Zustand, was erhebliche Ersatzinvestitionen erforderlich machte. Weiterhin übernahm der Staat auf diesem Wege hohe Personalkosten und subventionierte indirekt den Arbeitsmarkt. Diese Staatsbetriebe nahmen nach dem Krieg eine hohe Anzahl an Kriegsversehrten und Veteranen auf und waren so chronisch überbesetzt. Dadurch erhöhte sich das Staatsdefizit stetig auch wenn nach außen hin die Arbeitslosenrate abnahm. Des Weiteren mussten im Zuge der Waffenstillstandsbedingungen rund 30 % der Zugmaschinen und Waggons abgeliefert werden, was in Zukunft Erweiterungsinvestitionen erforderlich machte.

Zwar erkannte der Reichskanzler Wirth die Belastungen und forderte eine finanzielle Autonomie der Reichsbahn, doch war klar, dass dieses Ziel nicht unmittelbar umsetzbar war. Der Verkauf an Privatpersonen mittels Aktienemission oder nur der Verkauf von Reichsbahnanleihen war 1920 nicht möglich. Auch politisch wäre dies kaum durchführbar gewesen. Die Erhöhung der Fahrpreise hätte die Inflation weiter befeuert und stand der Preispolitik des Kabinetts Fehrenbach entgegen. Zwar gab Verkehrsminister Groener das Ziel aus, das Defizit für das Jahr 1921 von 16,3 Milliarden auf 7 Milliarden Mark zu reduzieren. Doch ergab sich trotz Personalabbaus bei konstanten Tarifen immer noch ein Defizit von rund 11 Milliarden Mark für das Jahr 1921. Ein größerer Personalabbau von mindestens 300.000 Mitarbeiter erfolgte erst während der Phase der Währungsstabilisierung 1924.

Auswirkungen auf die Privatwirtschaft

Durch den Kauf der Reichsbahn erhöhte sich die schwebende Schuld des Reiches am 01. April 1920 von einem Tag auf den anderen um rund 40 Milliarden Mark. Monatlich mussten weitere 1,3 Milliarden aufgewendet werden, um die Verluste des Unternehmens auszugleichen. Die Regierung musste also zwangsläufig weitere Schulden aufnehmen und benötigte dafür die Kredite der Reichsbank. Diese konnte auch 1920 noch Reichsschatzwechsel am Geldmarkt verkaufen. Andererseits verstärkten sich aus der Wirtschaft die Forderungen nach mehr Krediten. Dieser Widerspruch ergab sich aus der restriktiven Kreditvergabe durch die Privatbanken, wodurch die Unternehmen nicht in gewünschtem Maße Kredite aufnehmen konnten.

In diesem Zusammenhang ist auch der starke Anstieg an vergebenen Darlehen der Darlehenskassen zu werten, der sein Maximum am 31.12.1920 mit circa 35,5 Milliarden Mark erreichte. Danach verringerte sich der Bestand an vergebenen Darlehen wieder. Dies resultierte aus der Öffnung des Kapitalmarktes am 15. Oktober 1920. Durch den Wegfall der Kontrolle erlosch ebenfalls die Garantie für die Zeichnung von Kriegsanleihen sowie der Kauf kurzfristiger Schatzanweisungen. Da nach diesem Zeitpunkt Unternehmen wieder eigene Obligationen anbieten konnten und diese eine interessante wenn nicht gar wesentlich lukrativere Anlageform darstellten. Insbesondere die hohe Verschuldung des Staates und die mit der Investition in Industrieanlagen verbundene gefühlte wertstabile Vermögensanlage machten die Unterbringung von Staatspapieren schwieriger.

Schwierigkeiten bei der Abschöpfung der Bargeldmenge

Die Öffnung des Kapitalmarktes ermöglichte es Privatpersonen, Privatunternehmen und Banken die Investition in Sachanlagen. Insbesondere der Bankensektor ging zur Verminderung des Risikos dazu über möglichst Papiere von Industrieunternehmen zu halten. Dies wirkte natürlich direkt wieder auf die Aktienkurse, die erhebliche Kursgewinne verzeichneten. Im Umkehrschluss nahmen die Preise für lukrative Anlagen zu, was zum Teil die Inflation weiter förderte. Trotzdem gaben die Banken nicht übermäßige Kredite aus. Zumal aufgrund der vertikalen Integration der großen Konzerne und die zunehmende Monopolisierung der Wirtschaft die Notwendigkeit der Finanzierung über Bankkredite abnahm. Viele Konzerne hatten ihrerseits Finanzinstitute aufgekauft. Durch die ansteigende Nachfrage nach Industrieemissionen nahm das Angebot dieser Papiere zu, wodurch die Unterbringung von Schatzwechseln und –anweisungen seitens der Reichsbank immer schwieriger wurde. Dadurch war es der Reichsbank immer weniger möglich über den Verkauf von Staatspapieren die Bargeldmenge abzuschöpfen. Somit erhöhte sich die Gefahr einer durch eine verstärkte Nachfrage nach Bargeld ansteigende Bargeldmenge, die wiederum monetär induzierte Preissteigerungen hervorruft.

Außenwertverluste der Mark

Neben den genannten Faktoren wirkte der stetig sinkende Außenwert der Reichswährung auf die Preise im Inland. Da sich die importierten Rohstoffe und Lebensmitteleinfuhren durch den Kaufkraftverlust im Ausland verteuerten, erhöhten sich die Verkaufspreise der Unternehmen im Inland. Ursächlich für den Außenwertverlust war im wesentlichen nicht die Politik der Regierungen, sondern vielmehr die Haltung der Siegerstaaten des 1. Weltkrieges. Diese setzten weiterhin ihre Goldmarkrechnung durch und pochten auf die Zahlung der Reparationen in festen Devisen.

Das sich der Kurs der Mark im Vergleich zum US–Dollar von Mai 1920 bis Mai 1921 stabilisierte, lag vorrangig an psychologischen Wirkungen auf die Devisenmärkte. Dazu zählten beispielsweise die erfolgreiche Niederschlagung des Kapp–Putsches, die Wiedererlangung der Kontrolle über die Westgrenze im April 1920 und Gerüchte über eine Vergabe von langfristigen Krediten durch die USA. Damit verbundenen waren auch Währungsspekulationen seitens ausländischer Investoren, die auf eine baldige Erholung der Mark spekulierten. Durch das Kohleabkommen von Spa im Juli 1920 konnten wertvolle Devisen gesichert und somit Zahlungen für Lebensmittelimporte eingespart werden. Ab August 1920 wurden aber die ersten Reparationszahlungen fällig. In dieser Inflationsphase überwog eine spekulative Überbewertung der Mark, der den Außenwertverlust bremste.

Aufhebung der Zwangswirtschaft als inflationsbeschleunigender Faktor

Erhöhung der Lebensmittelpreise ab 1920

Mit der schrittweisen Aufhebung der Zwangswirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 1920 kam es zu extremen Preissteigerungen insbesondere bei landwirtschaftlichen Produkten. So verdoppelte sich beispielsweise der Preis für ein Pfund Rindfleisch zwischen Juli und Dezember 1920. Trotzt Subventionsmaßnahmen und der Schaffung von Lebensmittelreserven erhöhte sich das durchschnittliche Preisniveau. Dagegen erhöhte sich das Etatdefizit durch diese Ausgaben zusätzlich. In diesem Sinne ist besonders die Brotpreispolitik und Kohlenpreispolitik der Regierung Fehrenbach zu nennen. Der Durchschnittsbürger erlebte trotz einer relativen Stabilisierung der Mark das Jahr 1920 als weitere Phase von Preissteigerungen. Aufgrund der sukzessiven Abschaffung der Preisverordnungen empfanden die Verbraucher diese Phase als anhaltende und nie enden wollende Verteuerung von Konsumgütern.

Bargeldzunahme als gleichzeitige Inflationsfolge und –ursache

Während der Amtszeit des Kabinetts Fehrenbach (25. Juni 1920 bis 4. Mai 1921) nahm die Verschuldung der Weimarer Republik und die Inflation weiter zu. Die Steuereinnahmen nahmen ab, gleichzeitig wurden zusätzliche massive Staatsausgaben getätigt. Auf der anderen Seite nahm die Bargeldmenge stark zu, wodurch diese die Inflation weiter befeuerte. Die Inflationsfolge wirkte also weiter als Inflationsursache und verstärkte den ursprünglichen Mechanismus. Da die Privatbanken weiterhin kaum Kredite vergaben, wurde der Kapitalmarkt für private Emissionen frei gegeben. Trotz der Konkurrenz durch Privatunternehmen gelang es der Reichsbank noch kurzfristige Schuldscheine des Reiches in notwendiger Weise an private Anleger abzugeben. Der Binnenwert der Mark verringerte sich trotz der Subventionierung der wichtigen Güter Getreide und Kohle durch die schrittweise Aufhebung der Höchstpreispolitik weiter. Im Jahre kam es aufgrund von Währungsspekulationen und einer damit verbundenen Hoffnung auf eine langfristige Erholung der Mark zu einer Stabilisierung des Wechselkurses der Mark. Das Transferproblem im Sinne der Goldmarkrechnung wirkte weiter als schwere Belastung auf die Wertentwicklung der Mark ein.

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