Inflation während des 1. Weltkriegs in Deutschland

Die Inflation in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg stellt keine Nachkriegsinflation dar, da es bereits während der Kriegszeit zur Inflation kam.

Inflation - Sparen oder Anlegen?

Umstellung des Finanzsystems auf die Kriegswirtschaft

Als Indikatoren für die Inflation bereits während des 1. Weltkrieges können die Entwicklung der Großhandelspreise sowie der Außenwertverlust der deutschen Mark gelten. So hatten sich die Großhandelspreise zwischen 1914 und 1918 schätzungsweise mehr als verdoppelt und der Wechselkurs der Mark war gegenüber dem Dollar um circa 50% gefallen. Diese Entwicklung wurde aber durch Stützungsaktionen der Reichsbank und den Effekten der Zwangswirtschaft abgemildert. Ursächlich für diese bereits während der Kriegszeit eintretende Inflation waren das System der Kriegsfinanzierung und die damit einhergehende massive sowie stetige Verschuldung des Deutschen Reiches.

Das auf die totale finanzielle Mobilmachung für den Krieg ausgestaltete Finanzsystem beruhte im Wesentlichen auf den folgenden drei Säulen:

  • Die Währungsgesetze aus dem August 1914.
  • Die Finanzierung aus der Ausgabe von Kriegsanleihen.
  • Die Zwangswirtschaft mit entsprechenden Höchstpreisregelungen.

Diese Maßnahmen wandelten den Geldmarkt, den Kapitalmarkt sowie den Gütermarkt hinsichtlich einer erfolgreichen Kriegsführung nachhaltig um. Dabei existieren zwischen den Märkten Interdependenzen, die noch im Detail vorgestellt werden. Für die Kabinette in den ersten Jahren der Weimarer Republik stellte die Umwandlung dieses System in ein für die Friedenszeit tragfähiges Finanzsystem eine große Herausforderung und schwerwiegende Belastung dar. Außerdem schränkte diese Hypothek die Entscheidungsfreiheit der jeweiligen Regierungen in entscheidender Weise ein.

Neuordnung des Finanzsystems

Abkehr vom Goldstandard

Die Währungsgesetze vom 14. August 1914 beseitigten den bis dahin geltenden Goldstandard. Während der Kaiserzeit garantierte dieser eine stabile Mark. Die Reichsbank sollte durch die Gesetzesänderung in die Lage versetzen dem Reich genügend Mittel für die Kriegsführung zur Verfügung zu stellen. Die Reichsbank war keinesfalls unabhängig, sondern an die Verwaltung des Reiches eingegliedert. Nach dem Bankgesetz von 1875 oblag die Leitung der Bank dem Reichskanzler und dem ihm unterstehenden Reichsbankdirektorium. Eine eigenständige Währungspolitik im Extremfall konträr zur Finanzpolitik des Reiches war somit undenkbar.

Aufweichung der Deckungsvorschriften

Ein hellgrüner Darlehenskassenschein über 1 Mark und ein graublauer Darlehenskassenschein über 5 Mark

Die wichtigste Änderungen betrafen die Deckungsvorschriften für die sich im Umlauf befindende Geldmenge. Die Einlösepflicht von Mark in Gold wurde aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt war die umlaufende Geldmenge durch die Dritteldeckung abgedeckt. Diese besagte eine Deckung über 1/3 Gold und 2/3 ordentliche Handelswechsel. Letzter repräsentierten „reale“ Exportgeschäfte mit einer hohen Bonität. Die Reichsbank konnte somit die Geldmenge nur erhöhen, wenn dementsprechend Gold oder Handelswechsel eingekauft wurden. Außerdem musste nun keine Notensteuer von 5% auf ausgegebene Banknoten entrichtet werden, welche die jeweilige Deckungsmenge überschritten. Im Zusammenhang mit der Änderung der Deckungsvorschriften wurde es der Reichsbank ermöglicht unbegrenzt Schatzanweisungen und Schatzwechsel (kurzfristige Kredite) des Reiches gegen die Ausgabe von Mark bzw. Kredite auszugeben und diese als Deckung zu verwenden. Die Schatzwechsel und –anweisungen wurden somit den Handelswechseln rechtlich gleichgestellt.

Einrichtung der Darlehenskassen

Weiterhin gründete die Reichsbank sogenannte Darlehenskassen, die ihrerseits Darlehenskassenscheine an die Reichsbank im Gegenzug zur Aufnahme von Darlehen ausgeben konnten. Diese Kassenscheine wurden ebenfalls den Handelswechseln gleichgestellt und konnten als Deckungsmittel fungieren. Diese Darlehen konnten die Darlehenskassen gegen die Verpfändung von Wertpapieren im Rahmen von Lombardkrediten an die Wirtschaft weiter verleihen. Der Reichsbank war es nun möglich durch die zusätzlich eingenommen Darlehenskassenscheine weitere Barmittel auszugeben, da die Deckung formal gewährleistet war. Weiterhin existierten Reichskassenscheine, die ursprünglich dem Zahlungsausgleich zwischen den Ländern des Kaiserreiches und dem Reich dienten und nun ebenfalls den Zahlungsmittel gleichgestellt wurden und zur Deckung hinzugezogen werden konnten. Insgesamt erfolgte die gesamte Kreditschöpfung im Wege der Verpfändung von Waren und Wertpapieren (Lombardkredit) zwar real über die Reichsbank, formal aber über den Apparat der Darlehenskassen. Die Lombardanlage galt für die Reichsbank nicht als bankmäßige Deckung. Durch diese aufwendige juristische Verklausulierung war es der Reichsbank möglich bei Einnahme einer bestimmten Anzahl an Darlehenskassenscheine einen doppelt so großen Betrag an Reichsschatzwechseln auszugeben. Insgesamt bestimmte von nun an der Geldbedarf der Reichsregierung die sich im Umlauf befindliche Geldmenge. Die Geldnachfrage wiederum resultierte aus den Bedürfnissen der Kriegsführung.

Ausweitung des Kreditgeschäftes

Neben der großzügigen Kreditvergabe der Reichsbank an kriegsnotwendige Unternehmen und der Übergabe des Geschäftes mit Lombardkrediten an die Darlehenskassen stellte die Einrichtung von Kriegskreditbanken einen weiteren wichtigen Baustein in der Versorgung der Kriegswirtschaft mit Liquidität dar. Zwar gründeten Privatunternehmen diese Institute, aber die Reichsbank stellte die Finanzierung über Kredite sicher. Somit konnten auch Teile der Wirtschaft mit Kredite versorgt werden, die keinen Zugriff auf die bereits genannten Finanzierungsformen hatten. Außerdem zeigt dieses Vorgehen die starke staatliche Intervention in den Geldmarkt und die Zurückhaltung seitens der Privatbanken. Diese waren bei der Kreditvergabe wesentlich vorsichtiger und erkannten schon frühzeitig die Gefahr der Inflation. Die Kreditkrise im Sommer 1914 lässt sich daher einerseits durch den Abzug von Einlagen durch die Privatkunden und andererseits durch die zurückgehende Kreditvergabe der Privatbanken erklären. Für beide Effekte lassen sich psychologische Gründe aufgrund der Ungewissheit durch den bevorstehenden Krieg heranziehen. Um die Funktionstüchtigkeit des Geldmarktes zu gewährleisten, übernahm somit die Reichsbank auf lange Sicht das Zepter bei der Kriegsfinanzierung und der Versorgung der Privatwirtschaft mit Kredit.

Durch den Krieg verursachte Auswirkungen auf die Staatsverschuldung

Kriegsanleihen erhöhen die Staatsschuld des Kaiserreiches sprunghaft

Kriegsanleihen herausgegeben vom Deutschen Kaiserreich zur Finanzierung der Militärausgaben

Da die steigende Kreditvergabe gleichfalls die Kaufkraft erhöhte, nahm das Staatsdefizit zu. Das Reich gab zur Abschöpfung der Geldmenge und der Umwandlung der kurzfristigen in langfristige Verbindlichkeiten in großem Stil Kriegsanleihen aus. Die häufig von Karl Hellferich, ab 1915 Staatsekretär im Reichsschatzamt, zitierte Rede von der Übertragung der Kriegskosten auf die Gegner untermauerte die Verlagerung der Schulden in die Zukunft. Insgesamt wurden 9 Kriegsanleihen ausgegeben, die zusammen ungefähr 96,6 Milliarden Mark bei einer Gesamtzeichnungssumme von circa 99,2 Milliarden Mark einbrachten. Dabei unterschieden sich die Anleihen zwar zum Teil in ihren Konditionen, häufig wurden die Papiere aber mit 5 % pro Jahr mit zwei Auszahlungsterminen verzinst. Die Ausmaße der Verschuldung am Kriegsende stellt eine ungeheure Belastung für die Weimarer Republik dar. 1914 betrug diese gerade mal 4,9 Milliarden Mark. Zusätzlich belief sich die schwebende Schuld auf circa 50 Milliarden Mark, was insgesamt eine Belastung von ungefähr 150 Milliarden Mark entsprach. Problematisch für die Nachkriegskabinette war die aus politischen Gründen (Breite Bevölkerungsschichten hatten die Anleihen in der Vergangenheit gezeichnet und der Staat wollte nach außen seine Kreditwürdigkeit wahren.) getroffene Entscheidung die Anleihen nach Kriegsende nicht zu annullieren, sondern bezahlen zu wollen. Da die Nachfrage nach dieser Anlage rückläufig war und somit der Kurs einbrach, stützte die Regierung den Anleihekurs über kostspielige Stützungsaktionen, also Rückkäufe der Kriegsanleihen. Außerdem waren die Erträge der Reichsregierungen insgesamt rückläufig, was eine Bezahlung der Zinszahlungen auf lange Sicht unmöglich machte.

Zwar wurden die Kriegsanleihen von der breiten Masse gezeichnet und brachten erhebliche Erlöse, doch beruhte dies im besonderen Maße auf der Reglementierung des Kapitalmarktes durch die Reichsführung. So wurde ab Anfang 1915 die Veröffentlichung von Preisen im Handel mit den Kriegsanleihen gesetzlich verboten. Ab 1916 mit der Aufnahme des kostspieligen Hindenburg-Programms erfolgte die Sperrung privater Emissionen. Im folgenden Jahr konnten ebenfalls keine Unternehmensanleihen und Vorzugsaktien ausgegeben werden und die Gründung von Aktiengesellschaften unterlag der Aufsicht des Staates. Durch die Verbannung privater Wertpapiere sicherte und förderte das Reich den Verkauf der Kriegsanleihe. Der Markt für private Emissionen wurde somit durch die staatlichen Interventionen massiv eingeschränkt.

Steuerhebungen als Alternative zur Kriegsfinanzierung

Eine weitere Möglichkeit zur Kriegsfinanzierung stellt(e) in den meisten Ländern die Erhebung von Steuern dar. Im Deutschen Reich erbrachten die Steuern während der gesamten Kriegszeit nur bis zu 6% der gesamten Kosten. Im Gegensatz zu Großbritannien mit einer Deckung zwischen 20 – 30% wies das deutsche Steuersystem erhebliche Nachteile auf. Aufgrund der Reichsverfassung vor dem ersten Weltkrieg stand dem Reich nur die Einnahmen aus indirekten Steuern wie auf Tabak, Bier, Branntwein, Zucker und Salz, Zöllen und reichseigenen Betrieben. Nicht gedeckte Reichsausgaben wurden über jährliche Matrikularbeiträge der Länder aufgebracht, denen die direkte Besteuerung oblag. Diese wurden vom Reichstag mitbestimmt und richteten sich nach der Bevölkerungszahl der einzelnen Länder. Die Reichsführung war also von den Ländervertretern abhängig. Weiterhin gingen die Steuereinnahmen sogar zwischen 1914 und 1915 zurück, da die Zölle zur verstärkten Einfuhr von Importen herabgesetzt wurden. Negativ wirkte sich ebenfalls der zurückgehende Verbrauch an den genannten Gütern aufgrund der Kriegszeit aus. Ab Herbst 1916 erhöhte sich der Finanzierungsbedarf des Reiches durch das Hindenburg-Programm erheblich, so dass in den folgenden Jahren zusätzliche Steuern eingeführt wurden. Weiterhin konnten seit 1916 durch die Ausgabe von Anleihen keine Mehrerlöse mehr erzielt werden. Stattdessen überwogen ab der 5. Zeichnung 1916 die ausgegebenen Schatzanweisungen die Einnahmen durch die Anleiheausgabe.

Auf dem Gebiet der Güterproduktion gab es ebenfalls erhebliche staatliche Eingriffe. Übergeordnetes Ziel war die Begrenzung zu hoher Preise. Zusätzlich zu den Währungsgesetzen trat das Gesetz betreffend Höchstpreise in Kraft. Dieses erfuhr in der Folgezeit weitere Ergänzungen. Neben einer Preishöchstgrenze wurden weitere Institutionen zur Überwachung und Einhaltung der Preisfestsetzung auf allen Ebenen des Reiches festgelegt. Diesen sogenannten Preisprüfungsstellen oblag die Überwachung und der Durchsetzung der Preise. Auf Zuwiderhandlungen standen Gefängnisstrafen, hohe Geldstrafen oder die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Schlussendlich war fast die gesamte Nahrungsmittelversorgung durch staatliche Kontrolle preislich begrenzt. Aber auch die Preisentwicklung einer Vielzahl anderer Güter wurde so nach oben hin begrenzt.

Belastungen der jungen Republik durch das Waffenstillstandsabkommen

Außenwertverlust der Mark

Mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 verstärkte sich der Niedergang der Außenwert der Mark. Da sich der Wechselkurs zur fiktiven Währungseinheit Goldmark und dem US-$ immer weiter verschlechterte, verteuerten sich die Importe in der Folgezeit, wodurch ebenfalls die durchschnittlichen Inlandspreise anstiegen. Ursächlich hierfür war die Position der Siegermächte, die auch noch nach Abschluss des Waffenstillstandes ihre Wirtschaftsblockade nicht aufgaben und die Reichswährung als Zahlungsmittel sowie Recheneinheiten auf internationaler Ebene nicht anerkannten. Letzteres äußerte sich in der Forderung nach Bezahlung in „Goldmark“. Der Wert der „Goldmark“ richtete sich nach dem US-$, wodurch alle Importe und Kriegsschäden in wertbeständigen Währungen zu zahlen waren.

Ungünstige Zahlungsbedingungen für das Reich

Einschneidend für die finanzpolitische Souveränität war die Verpflichtung des Deutschen Reiches während des Waffenstillstandes keine öffentlichen oder privaten Werte zu veräußern. Diese dienten den Alliierten als Pfand für die Gewährleistung der Schadensersatzzahlungen. Dazu zählten beispielsweise Eisenbahnen, Bergwerke, Forsten, sich im Reichsbesitz befindliche Unternehmen, Gold, ausländische Wertpapiere usw. Insbesondere die Gefahr des Einzugs der Goldbestände führte zu einem Außenwertverlust der Mark. In den Augen der internationalen Investoren war nun keinerlei Deckung mehr vorhanden und die Zukunft erschien mehr als ungewiss.

Zwar sahen die Alliierten die Notwendigkeit von Lebensmittellieferungen an das Reich, als problematisch stellte sich aber die Forderung nach Zahlung in ausländischer Währung dar. Die Zahlung in Mark (Papiermark) und die Vergabe von Krediten wurde dabei kategorisch abgelehnt. Diese Zahlungskonditionen blieben auch in den folgenden Jahren und nach Abschluss des Versailler Vertrages in Kraft. Als Zugeständnis verwiesen die Alliierten zwar auf die Lieferung von Kohle. Da aber der Bergbau brach lag und weder das Reich noch die Reichsbank über genügend Devisen verfügten, nahm der Bedeutungsverlust der Mark weiter zu. Mit der folgenden Rechnung in Goldmark bei allen wichtigen Bestimmungen hinsichtlich der Reparationsfrage nahm die „Flucht aus der Mark“ ihren Lauf. Die junge Republik verlor ein Teil ihrer Autorität schon von Beginn an. Daraus resultierte schlussendlich ebenfalls der Verlust der Wertaufbewahrungsfunktion der Mark, die sich zu einem Spielball von Währungsspekulanten entwickelte. Im Gegensatz zu anderen Inflationen der Geschichte ging der deutschen Inflation die Aberkennung der Geldfunktion voraus.

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